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Berufspilot: Sind die Kosten der Ausbildung Werbungskosten?

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass die Kosten für die Ausbildung zum Berufspiloten Werbungkosten sein können. Doch das Urteil ist strittig.

Hinweis: Dieser Artikel befindet sich im VLH-Archiv, dem Langzeitgedächtnis von www.vlh.de. Da sich die Gesetzeslage im Steuerrecht kontinuierlich verändert, ist dieser Artikel eventuell nicht mehr aktuell.

Am 4. April 2014 entschied das Finanzgericht Münster (Aktenzeichen 14 K 4281/11 F), dass die Ausbildung zum Berufspiloten in der Steuererklärung zu vorweggenommenen Werbungskosten führen kann. Damit fällten die Richter aus Nordrhein-Westfalen ein Urteil, das eher ungewöhnlich ist und der derzeitigen Rechtsprechung widerspricht. Denn die Kosten einer Erstausbildung ohne Dienstverhältnis – also ohne monatliches Gehalt – zählen aktuell nicht zu den Werbungskosten, sondern zu den Sonderausgaben.

So sah es im September 2013 auch das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (Aktenzeichen 2 K 159/11), das in einem ähnlichen Fall entschied, dass die Kosten der Ausbildung zum Berufspiloten nicht zu vorweggenommenen Werbungskosten führen.

Sonderausgaben oder Werbungskosten: der entscheidende Unterschied

Steuerrechtlich gesehen gibt es einen großen Unterschied zwischen Sonderausgaben und Werbungskosten. Ein Beispiel: Emma hat sich nach ihrem Abitur für ein Bachelor-Studium entschieden. Da es sich bei diesem Studium um die erste Berufsausbildung ohne Dienstverhältnis handelt, kann Emma – wie jeder andere Student auch – die Kosten als Sonderausgaben in der Steuererklärung eintragen. Allerdings nur maximal 6.000 Euro pro Jahr. Interessant ist in dieser Hinsicht auch unser Artikel Steuererklärung als Student kann sich lohnen.

Ihre Zwillingsschwester Luise absolviert hingegen ein duales Studium – ihre erste Berufsausbildung ist also an ein Dienstverhältnis gekoppelt. Deshalb kann Luise – wie andere Lehrlinge und Auszubildende – die Kosten ihrer Ausbildung als Werbungskosten absetzen. Und das unbegrenzt. Darüber hinaus gibt es einen weiteren Vorteil: Da Luises Kosten ihre Einnahmen übersteigen, macht sie einen Verlust. Diesen Verlust speichert das Finanzamt und zieht ihn von künftigen Einnahmen, zum Beispiel dem ersten Gehalt, ab. Dieses Vorgehen nennt man Verlustvortrag. Steuerlich gesehen ist also der Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten deutlich lukrativer. Lesen Sie mehr dazu in unserem Überblick Ausbildungskosten.

Der konkrete Fall vor dem Finanzgericht Münster

Zurück zum Urteil der Richter aus Nordrhein-Westfalen. Geklagt hatte ein Mann, der bei einer Fluggesellschaft eine zweijährige Ausbildung zum Berufspiloten absolvierte. Gehalt bekam er während dieser Zeit nicht, es lag also kein Dienstverhältnis vor. Weitere Einkünfte, zum Beispiel durch einen Nebenjob, gab es auch nicht. In seinen Steuererklärungen für 2005 und 2006 machte er insgesamt rund 58.600 Euro als vorweggenommene Werbungskosten geltend. Doch das Finanzamt lehnte den Abzug als Werbungskosten ab, da die Ausbildungskosten ohne Dienstverhältnis zu den Sonderausgaben zählen.

Finanzgericht Münster: Kosten sind Werbungskosten

So viel kostet die Ausbildung zum Piloten

Wer Pilot werden will, muss durchaus tief in die Tasche greifen, denn Flugschüler müssen einen Teil der Ausbildungskosten selbst bezahlen. Bei airberlin liegt der Eigenanteil bei 67.500 Euro, bei der Lufthansa bei 70.000 Euro. Immerhin: Das Jahreseinstiegsgehalt für einen Berufspiloten liegt bei der Lufthansa bei circa 63.000 Euro.


Der Mann gab sich mit dieser Entscheidung nicht zufrieden und klagte beim Finanzgericht Münster. Die Richter zeigten ein Herz für den zukünftigen Piloten: Sie entschieden, dass er seine Kosten als vorweggenommene Werbungskosten von der Steuer absetzen kann. Die Aufwendungen eines Steuerzahlers gehören immer dann zu den Werbungskosten, wenn sie beruflich veranlasst sind – also "ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht", so die Richter. Es spiele dabei keine Rolle, ob der Steuerzahler Einnahmen erzielt oder nicht. Da der Kläger einen Schulungsvertrag abgeschlossen habe und eben jener Vertrag ihn in die Lage versetzte, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen, seien diese Voraussetzungen also erfüllt. Außerdem liege durch diesen Schulungsvertrag auch ein Dienstverhältnis vor.

Der konkrete Fall vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht

Im hohen Norden gab es einen ganz ähnlich gelagerten Fall. Ein junger Mann aus Schleswig-Holstein ließ sich ebenfalls zum Berufspiloten ausbilden. Ebenso wie der junge Mann aus Nordrhein-Westfalen schloss er dazu einen Schulungsvertrag ab. Er gab in seiner Steuererklärung Ausbildungskosten in Höhe von rund 41.000 Euro als vorweggenommene Werbungskosten an. Doch das Finanzamt lehnte die Anerkennung der Werbungskosten ab – die Ausgaben seien den Sonderausgaben zuzuordnen.

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht: Kosten sind Sonderausgaben

Bis zu diesem Punkt ähneln sich beide Fälle sehr. Doch die hinzugezogenen Richter aus Schleswig-Holstein stärkten – ganz im Gegensatz zu den Kollegen aus Münster – dem Finanzamt den Rücken. Der angehende Pilot absolviere seine erste Ausbildung ohne Dienstverhältnis. Der Schulungsvertrag begründe kein Dienstverhältnis, denn "der Kläger hat keinen Arbeitsvertrag geschlossen; er wurde weder eingestellt noch wurde eine Vergütung vereinbart", so die Richter. Dementsprechend zählen die Aufwendungen zu den Sonderausgaben und nicht zu den Werbungskosten.

Jetzt muss der Bundesfinanzhof entscheiden

Da die Urteile des Finanzgerichts Münster und des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts voneinander abweichen, haben die Richter aus Nordrhein-Westfalen die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen. Das dazugehörige Aktenzeichen lautet VI R 50/14

Das Verfahren wurde allerdings durch Beschluss vom 11. Februar 2015 ausgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht muss zunächst klären, ob es überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, keine Werbungskosten sind, wenn diese nicht im Rahmen eines Dienstverhältnissen stattfinden (Aktenzeichen 2 BvL 23/14 und 2 BvL 24/14).

Übrigens:

Die VLH empfiehlt angehenden Piloten, die Ausbildungskosten als vorweggenommene Werbungskosten in der Steuererklärung anzugeben und auf das Urteil des Finanzgerichts Münster zu verweisen. So bleibt der Steuerbescheid offen, bis eine richterliche Entscheidung gefällt wurde. 

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