Kalte Progression: Was ist das, und wie soll sie abgeschafft werden?
30.01.2025Zusammenfassung
- Die kalte Progression ist eine Art schleichende Steuererhöhung.
- Dabei wird eine Gehaltserhöhung durch die Inflation ganz oder teilweise aufgefressen und führt dennoch zu einer höheren Besteuerung.
- Ende 2024 haben Bundestag und Bundesrat Anpassungen beschlossen, mit denen die kalte Progression für 2025 und 2026 ausgeglichen werden soll.
Inhalt
![](https://www.vlh.de/fileadmin/_processed_/8/b/csm_kalte_progression_ffe2c3a475.jpg)
Stark vereinfacht steckt hinter dem Begriff „kalte Progression“ Folgendes: Obwohl man eine Gehaltserhöhung bekommen hat, kann man sich weniger leisten. Schuld an diesem Phänomen sind zwei Faktoren:
- Die Steuerprogression: Je mehr Gehalt man in Deutschland verdient, desto höher wird der persönliche Steuersatz.
- Die Inflation: Da die Preise für Waren und Dienstleistungen kontinuierlich steigen, nimmt die Kaufkraft des vorhandenen Geldes stetig ab.
Definition: Kalte Progression
Das Bundesfinanzministerium bezeichnet die kalte Progression als „eine Art schleichende Steuerhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt“. Das führt zu dem unschönen Ergebnis: Obwohl das Gehalt gestiegen ist, hat man real weniger Geld in der Tasche.
ÜBRIGENS:
Mehr als 35 Millionen Steuerpflichtige waren 2024 von der kalten Progression betroffen. Das heißt: Trotz inflationsausgleichender Gehaltserhöhungen hatte sie im Schnitt 273 Euro weniger zur Verfügung als davor.
Wie sieht ein Beispiel für die kalte Progression aus?
Ina ist Single und in Steuerklasse I. Als Beispiel nehmen wir das Jahr 2024. Ina verdiente zunächst 3.500 Euro brutto pro Monat. Für 2024 hatte sie eine Gehaltserhöhung von 3,00 Prozent erhalten: Das waren 105 Euro mehr Bruttogehalt im Monat. Allerdings blieben netto von den 105 Euro nur 57,48 Euro übrig. Denn während Inas Bruttogehalt um drei Prozent stieg, kletterte ihr Nettogehalt nur um 2,47 Prozent.
Das liegt daran, dass Ina mit 3.605 Euro Einkommen einen höheren Steuersatz bezahlen musste als mit 3.500 Euro. Die Steuerbelastung wächst prozentual stärker als das Bruttoeinkommen. In Zahlen: Der durchschnittliche Steuersatz von Ina stieg durch die Gehaltserhöhung von 14,55 Prozent auf 14,9 Prozent (ohne Kirchensteuer).
Und dann kommt auch noch die Inflation dazu: Liegt diese beispielsweise bei 2,00 Prozent – das war im Oktober 2024 der Fall –, bleiben Ina von ihren 2,35 Prozent mehr Nettogehalt lediglich 0,35 Prozent übrig (2,35 – 2,00). Allerdings ist die Inflationsrate in den letzten Monaten wieder angestiegen – beispielsweise lag sie im Dezember 2024 bei 2,6 Prozent. Somit blieb Ina von der Gehaltserhöhung gar nichts übrig – im Gegenteil, sie hatte noch weniger Geld zur Verfügung als zuvor.
Wer ist von der kalten Progression besonders betroffen?
Vor allem Menschen mit geringen und mittleren Einkommen leiden unter der kalten Progression. Das liegt am deutschen Einkommensteuersystem: Einkommen bis zum Grundfreibetrag – dieser liegt 2025 bei 12.096 Euro (2024: 11.784 Euro) – sind steuerfrei. Aber schon der erste Euro über dem Grundfreibetrag wird mit 14 Prozent besteuert.
Die Progressionskurve verläuft nach dem Grundfreibetrag zunächst recht steil nach oben, bevor sie dann abflacht. Und von diesem Abflachen profitieren vor allem Spitzenverdiener: Ab einem Jahreseinkommen von 68.481 Euro bleibt der Steuersatz konstant bei 42 Prozent. Erst bei einem Jahreseinkommen von 277.826 Euro (Stand 2025) kommen weitere 3 Prozent dazu, also dann insgesamt 45 Prozent als Höchstgrenze. Deshalb wirkt sich die kalte Progression bei gut Verdienenden deutlich weniger aus als bei Arbeitnehmenden mit geringerem Einkommen.
Wie soll die kalte Progression abgebaut werden?
Um der kalten Progression entgegenzuwirken, legt das Bundesfinanzministerium alle zwei Jahre einen Steuerprogressionsbericht vor. Auf Grundlage dieses Berichts und des sogenannten Existenzminimumberichts hat der Gesetzgeber Maßnahmen beschlossen, die die kalte Progression in den Jahren 2025 und 2026 ausgleichen sollen:
- Anhebung des Grundfreibetrags
- Erhöhung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags
- Anhebung der Freigrenze für den Solidaritätszuschlag
Darüber hinaus werden die Eckwerte des Einkommensteuertarifs für 2025 und 2026 “nach rechts” verschoben und damit der Steuersatz für die meisten Steuerpflichtigen verringert. Das heißt: Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent beginnt 2025 für Alleinstehende erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 68.481 Euro (2024: 66.761 Euro).