Wann und wie Sie Unfallkosten von der Steuer absetzen können
30.05.2024Inhalt
Zwei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Unfallkosten von der Steuer absetzen zu können: Sie müssen die Kosten tatsächlich selbst gezahlt haben und der Unfall muss auf einer beruflichen Fahrt passiert sein. Das gilt auch für Unfälle aufgrund von Schnee, Eis oder Eisregen.
Ähnliches gilt, wenn Ihr parkendes oder haltendes Auto beschädigt wird: Wenn der Unfall während Ihrer Arbeitszeit passiert ist und keine Versicherung für den Schaden aufkommt, können Sie die Kosten dafür absetzen. Dabei gibt es keine Höchstgrenze für die Absetzbarkeit von Unfallkosten, wenn die Voraussetzungen stimmen.
ÜBRIGENS:
Den Unfall während einer Privatfahrt können Sie nicht absetzen. Problematisch wird die Anerkennung durch das Finanzamt auch, wenn Sie bei einer beruflichen Fahrt den Unfall unter Alkoholeinfluss verursacht haben.
Beispiel für einen Unfall auf dem Weg zur Arbeit
Montagmorgen kurz nach acht. Der Ingenieur Jürgen W. ist spät dran für sein Meeting mit dem Vorstand eines führenden deutschen Chemiekonzerns. Mit 160 km/h fährt sein BMW die Autobahn entlang, als plötzlich ein Polo ausschert. Reaktionsschnell weicht Jürgen aus, der BMW dreht sich, schlittert an der Leitplanke entlang und kommt in letzter Sekunde auf dem Notstreifen zum Stehen. Dem Ingenieur ist zum Glück nichts passiert, aber sein privater BMW ist hin. Mehr als ärgerlich! Kleiner Trost: Alles, was die Versicherung nicht zahlt, kann Jürgen von der Steuer absetzen.
Der Schreck sitzt noch tief, als Jürgen Polizei und Abschleppdienst anruft. Während er telefoniert, betrachtet er sein Auto: Die rechte Seite des Wagens ist völlig eingequetscht. Der neue Laptop, der auf dem Beifahrersitz lag, ist auch hinüber.
Langsam fängt Jürgen an, sich zu ärgern: Er verpasst nicht nur einen wichtigen Geschäftstermin, sondern hat möglicherweise all seine Präsentationen und Kontaktdaten verloren, die im Laptop gespeichert sind. Ganz zu schweigen vom traurigen Anblick seines Autos. Wer entschädigt ihn dafür?
ÜBRIGENS:
Was Sie beachten müssen, wenn Sie einen Unfall mit dem Dienstwagen und nicht mit dem eigenen Pkw haben, erfahren Sie in unserem Artikel: Geld sparen mit dem Dienstwagen.
Variante 1: Jemand anders ist schuld am Unfall, seine Versicherung zahlt
Alle in Deutschland gemeldeten Autofahrenden müssen für ihr Fahrzeug eine Kfz-Haftpflichtversicherung abschließen. Diese Pflicht ist vor allem als Schutz für andere Verkehrsteilnehmenden zu verstehen, denn Haftpflichtversicherungen übernehmen in der Regel sämtliche Kosten, die Autofahrer durch Unfälle verursachen können. Jede Versicherung legt selbst fest, bis zu welcher Höhe sie Kosten übernimmt, zum Beispiel eine Million Euro für Sachschäden und zwei Millionen Euro, wenn Menschen verletzt werden.
Für Jürgen bedeutet das: Die Haftpflichtversicherung des Polo-Fahrers übernimmt alle Kosten, die ihm durch den Unfall entstanden sind. Sie zahlt den Abschleppdienst, die Verschrottung des BMWs, den geschätzten Wert der Limousine für den Kauf eines neuen Autos, den Mietwagen bis zum Kauf eines Neuwagens, den Ausfall an Arbeitszeit und den kaputten Laptop beziehungsweise die Wiederherstellung aller Daten. Hätte sich Jürgen verletzt, würde die Versicherung auch das Schmerzensgeld übernehmen.
ÜBRIGENS:
Die Haftpflicht zahlt nur für einen Mietwagen, der sich in der gleichen "Gewichtsklasse" bewegt wie Jürgens BMW. Sollte Jürgen zum Beispiel einen Ferrari mieten, bis er sich ein neues Auto besorgt hat, muss er die Differenz des Mietpreises zu seiner BMW-Klasse selbst zahlen.
Variante 2: Sie tragen Mitschuld am Unfall und müssen teilweise selbst zahlen
Wer im Vollrausch oder viel zu schnell fährt, rote Ampeln missachtet, Fahrerflucht oder ähnliche sogenannte schwere Obliegenheitsverletzungen begeht, für den übernimmt die Kfz-Haftpflicht in der Regel keine Unfallkosten.
Wäre unser Polo-Fahrer zum Beispiel betrunken gewesen, würde seine Haftpflicht zwar für ihn zahlen, aber er müsste einen Teil oder auch sämtliche Kosten an seine Versicherung zurückerstatten. Jürgen könnte das egal sein, solange der Polo-Fahrer zu 100 Prozent Schuld am Unfall trägt.
Aber nehmen wir mal an, Jürgen sei 160 km/h gefahren, obwohl maximal 130 km/h erlaubt waren. Dann trägt er Mitschuld am Unfall, weil er die Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritten hat. Seine Versicherung wird zunächst alle Rechnungen zahlen, für die er aufgrund seiner Geschwindigkeitsübertretung gerade stehen muss. Aber er muss das Geld wieder an seine Versicherung zurück geben. Diese Kosten kann Jürgen dann wiederum in seiner Steuererklärung als Werbungskosten angeben, weil er beruflich unterwegs war.
Variante 3: Der Unfallverursacher hat keine Kfz-Haftpflicht, Sie zahlen alles selbst
Die Kfz-Haftpflicht ist zwar Pflicht in Deutschland, aber tatsächlich sind etliche Autofahrende ohne diese Versicherung unterwegs. Für unseren Unfallverursacher, den Polo-Fahrer, würde das bedeuten, dass ihn ein Strafverfahren erwartet, eine Freiheits- oder Geldstrafe sowie einige Punkte in Flensburg.
Jürgen, das Unfallopfer, müsste dann alle Kosten, die durch den Unfall entstanden sind, zunächst selbst zahlen. Danach könnte er vor Gericht ziehen und den Polo-Fahrer auf die Erstattung der Kosten verklagen. Bis das Gericht entschieden hat, kann er die von ihm selbst bezahlten Rechnungen in seiner Steuererklärung als Werbungskosten angeben. Hat die Klage Erfolg und die Unfallkosten werden nachträglich bezahlt, muss Jürgen das mit der Steuererleichterung verrechnen, die er bereits bekommen hat.
ÜBRIGENS:
Es gibt in ganz Europa die sogenannte Verkehrsopferhilfe. In Deutschland ist das der Gesamtverband der Versicherer e.V. (GDV). An diesen kann man sich wenden, wenn der Unfallgegner bzw. die Unfallgegnerin keine Versicherung hatte. Ist das gegnerische Fahrzeug in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) – außer Deutschlands – zugelassen, können Sie sich auch an den Verein Verkehrsopferhilfe e.V. wenden.
Unfallkosten: In diesen Fällen sind es Werbungskosten
Immer dann, wenn Ihnen auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit zurück, während einer Familienheimfahrt oder auf einer Dienstreise ein Unfall passiert, gelten Unfallkosten als Werbungskosten. Das gilt aber auch für bestimmte Umwege, nämlich zum Tanken oder zur Abholung der Mitfahrerinnen und Mitfahrer einer Fahrgemeinschaft.
Auch die Unfallkosten bei einer Leerfahrt gelten als Werbungskosten, beispielsweise bei Eheleuten, die normalerweise immer gemeinsam fahren: Einer von beiden muss länger bleiben und der andere fährt abends noch mal extra los, um ihn abzuholen. Passiert während einer solchen Leerfahrt auf dem Weg zur Arbeitsstelle des Ehegatten ein Unfall, gilt das als beruflich veranlasste Fahrt – alle Kosten sind dann von der Steuer absetzbar. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits 1984 entschieden.
Gleiches gilt für Eheleute mit doppelter Haushaltsführung: Einer von beiden, sagen wir die Ehefrau, muss aus beruflichen Gründen eine zweite Wohnung mieten und wird von ihrem Mann zum Bahnhof gebracht. Während die Frau im Zug zur zweiten Wohnung sitzt, passiert dem Ehemann auf seinem Weg nach Hause ein Unfall – auch seine Leerfahrt gilt als beruflich veranlasst und alle Kosten sind als Werbungskosten absetzbar. Die Begründung des BFH von 1987: Der Ehefrau könne nicht zugemutet werden, das eigene Auto die ganze Woche über am Bahnhof stehen zu lassen und so der Gefahr einer möglichen Beschädigung oder sogar eines Diebstahls auszusetzen.
Auch wenn der Ehepartner im Rahmen einer Auswärtstätigkeit zum Bahnhof oder Flughafen gebracht wird und auf dem Rückweg ein Unfall passiert, zählen die Unfallkosten zu den Werbungskosten und können in der Steuererklärung eingetragen werden.
Unfallkosten: In diesen Fällen sind es Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen
Nur in ganz bestimmten Fällen gelten Unfallkosten als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen. Zum Beispiel dann, wenn Sie Vollzeit (Erststudium) studieren und der Unfall auf dem Weg zur Universität oder zurück geschieht, oder wenn Sie einen Menschen mit Behinderung etwa zu einem Arzttermin oder zum Arbeitsplatz fahren.
Wie Sie Unfallkosten von der Steuer absetzen
Das Finanzamt erkennt Unfallkosten nur an, wenn Sie die dazugehörigen Rechnungen und Quittungen aufbewahren. Und auch den Unfallbericht der Polizei sollten Sie als Nachweis griffbereit haben, falls das Finanzamt Fragen hat. Rechnen Sie die Kosten am Jahresende zusammen und tragen Sie die Summe im Steuererklärungsformular "Anlage N" unter "Sonstiges" ein, wenn es sich um Werbungskosten handelt. Sonderausgaben müssen Sie in der Anlage „Sonderausgaben“ angeben. Gelten Ihre Unfallkosten als außergewöhnliche Belastungen, tragen Sie sie in die Anlage "Außergewöhnliche Belastungen" ein.
ÜBRIGENS:
Kosten, die Sie absetzen können, sind – neben den Reparaturkosten – beispielsweise auch Auslagen für die Selbstregulierung oder Schäden an privaten Gegenständen. Bei einem Totalschaden oder einem Bagatellschaden, den Sie nicht reparieren lassen, können Sie unter gewissen Umständen eine „Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung“ geltend machen.
Nicht alle Reparaturkosten sind steuerlich absetzbar
Haben Sie Ihr Auto auf dem Weg zur Arbeit versehentlich falsch betankt, so sind die Reparaturkosten für den daraus resultierenden Motorschaden steuerlich nicht absetzbar. Der Bundesfinanzhof, das höchste Gericht für Steuern in Deutschland, legte fest, dass die Kosten für die Reparatur nicht als Werbungskosten neben der Entfernungspauschale geltend gemacht werden dürfen. Im Gegenteil: Auch außergewöhnliche Aufwendungen – wie die Kosten der Falschbetankung – sind mit der Entfernungspauschale bereits abgegolten.
Unfall auf dem Weg zum Job: Wer zahlt bei Verletzungen?
In unserem Beispiel hat Jürgen Glück gehabt: Er selbst ist bei dem Unfall mit dem Schrecken davon gekommen. Angenommen, Jürgen hätte sich bei dem Unfall verletzt, wäre er über die gesetzliche Unfallversicherung geschützt. Denn die greift prinzipiell bei jedem Arbeitsunfall. Dazu zählen auch Unfälle, die auf dem direkten Weg zur Arbeit passiert sind. Solche sogenannten Wegeunfälle sind gar nicht so selten: Laut Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) gab es im Jahr 2023 etwa 184.355 meldepflichtige Wegeunfälle. Meldepflichtig sind die Unfälle immer dann, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin mehr als drei Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt ist.
Generell gilt: Ist ein Arbeitsunfall erst einmal passiert, so ist es Ziel der Versicherung, die Gesundheit und berufliche Leistungsfähigkeit des/der Arbeitnehmenden wiederherzustellen. Für Jürgen mit seiner Verletzung bedeutet das: Die Kosten für seine medizinische Behandlung und die anschließenden Reha-Maßnahmen übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung.
Auch wenn Jürgen den Autounfall auf dem Weg zur Arbeit selbst verschuldet hätte, wäre die gesetzliche Unfallversicherung verpflichtet zu zahlen.
Wer hat Anspruch auf eine gesetzliche Unfallrente?
Die Folge eines Arbeitsunfalls kann auch ein bleibender Gesundheitsschaden sein. Wenn Jürgen also durch seine Verletzung dauerhaft so beeinträchtigt wäre, dass die Arbeit am Computer nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich wäre, hätte er Anspruch auf eine sogenannte Unfallrente, die auch unter dem Namen Verletztenrente bekannt ist. Wer eine solche lebenslange Rente unter welchen Umständen bekommt, ist genau festgelegt: Jede versicherte Person, die infolge eines Arbeitsunfalls nach 26 Wochen noch immer zu wenigstens 20 Prozent erwerbsgemindert ist, erhält eine Unfallrente.
ÜBRIGENS:
Stirbt eine Versicherte oder ein Versicherter bei einem Arbeitsunfall, so bekommt der Witwer oder die Witwe eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese Rente infolge eines Arbeitsunfalls fällt in der Regel höher aus als die Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung.
Ist die gesetzliche Unfallrente steuerfrei?
Das Gute an der gesetzlichen Unfallrente: Sie gehört zu den Renten, die vollkommen steuerfrei sind und nicht in der Steuererklärung angegeben werden müssen. Mehr dazu erfahren Sie auch in unserem Artikel: Diese Renten sind steuerfrei.
Anders sieht es bei einer Unfallrente aus der privaten Unfallversicherung aus. Deren Leistungen sind prinzipiell steuerpflichtig. Wie hoch der zu versteuernde Anteil aber im Einzelnen ist, hängt von der Vertragsgestaltung mit der jeweiligen Versicherung ab.
Folgekosten nach einem Unfall sind ebenfalls Werbungskosten
Sie hatten einen Unfall auf dem Weg zwischen Ihrer Wohnung und Ihrer ersten Tätigkeitsstätte und wurden dabei verletzt, wodurch Ihnen weitere Kosten entstanden sind? Dann können Sie auch diese als Werbungskosten absetzen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) Ende 2019 in einem Urteil klargestellt (Aktenzeichen: VI R 8/18).
Im Streitfall wurde eine Frau auf dem Weg zur Arbeit bei einem Verkehrsunfall erheblich verletzt. Sie musste sich einer Nasenoperation unterziehen und dafür mehrere Tage im Krankenhaus bleiben. Die entstandenen Kosten, die nicht von der Berufsgenossenschaft übernommen wurden, machte sie in ihrer Steuererklärung als Werbungskosten geltend. Finanzamt und Finanzgericht ließen dies jedoch nicht zu. Sie waren der Meinung, das Ganze sei bereits durch die Entfernungspauschale abgedeckt.
Doch der BFH entschied anders. Fazit: Beruflich veranlasste Krankheitskoste könnten zusätzlich zur Entfernungspauschale als Werbungskosten abgezogen werden.
Quellen
- Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V., Meldepflichtige Wegeunfälle. (Gesehen am 12.06.2024)