Schneeballsystem: Steuern auch auf Scheingewinne fällig
16.09.2024Es läuft immer nach dem gleichen Schema: Anleger/innen werden mit dem Versprechen hoher Renditen geködert, aber die Rendite wird in Wirklichkeit gar nicht erwirtschaftet. Die Gewinnausschüttungen stammen aus den Einzahlungen neuer Anleger/innen. Und viele Anleger/innen legen die vorgetäuschten Gewinne direkt wieder an.
So rollt der Schneeball langsam den Berg hinab, sammelt immer neue Anlegende auf dem Weg ein und wächst. Doch irgendwann erreicht auch der größte Schneeball das Tal und zerschellt.... Bei einem Schneeballsystem ist das der Fall, sobald keine neuen Anlagewilligen mehr gefunden werden und somit Einzahlungen ausbleiben.
Immer wieder nehmen Anleger/innen unwissentlich an einem betrügerischen Schneeballsystem teil – und sind doppelt gestraft. Denn in der Regel verlieren sie nicht nur das gesamte eingesetzte Kapital, auch das Finanzamt meldet sich: Scheingewinne sind grundsätzlich steuerpflichtig.
ÜBRIGENS:
Wer die ausgewiesenen Renditen aus einem Schneeballsystem nicht dem Finanzamt meldet, muss im schlimmsten Fall mit einer strafrechtlichen Verfolgung wegen des Verdachts auf Steuerbetrug rechnen.
Scheingewinne sind Einkünfte aus Kapitalvermögen
Auch wenn diese Gewinne tatsächlich nie existiert haben, steuerlich gesehen zählen Scheingewinne zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Das hat der Bundesfinanzhof bereits 2014 entschieden (Urteil vom 11.02.2014, VIII R 25/12). Die Richterinnen und Richter aus München betonten, dass es nicht entscheidend sei, ob die Gewinne vom Schuldner oder der Schuldnerin – also dem Betreibenden des Schneeballsystems – tatsächlich ausgezahlt wurden oder nicht. Ausschlaggebend sei nur, ob „der Schuldner der Erträge leistungsbereit und leistungsfähig wäre“, so die Richter/innen.
Diese Entscheidung lässt Anlegende allerdings nicht aufatmen. Denn die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Betreibers bzw. der Betreiberin sind nicht sonderlich hoch. Argumentiert ein/e Anleger/in zum Beispiel damit, dass das System zusammengebrochen wäre, sobald alle Anlegenden auf eine Ausschüttung des Gewinns bestanden hätten, kann er bzw. sie den Fiskus damit nicht überzeugen. Denn das würde letztlich ja auch für jede Bank gelten.
Dank fehlender Leistungsbereitschaft keine Steuerpflicht
Damit bleibt betroffenen Anlegern und Anlegerinnen nur noch eine Hoffnung: die Leistungsbereitschaft. Ist der/die Betreiber/in des Schneeballsystems den Auszahlungswünschen des Anlegers oder der Anlegerin immer sofort nachgekommen? Oder hat er bzw. sie eine Auszahlung verweigert oder verschleppt? Ist Letzteres der Fall und der/die Anleger/in kann dem Fiskus glaubhaft machen, dass der/die Schuldner/in die Auszahlung verweigert hat, fallen auch keine Steuern auf die Scheingewinne an. Hier entscheidet das Finanzamt immer im Einzelfall.
ÜBRIGENS:
Legt der/die Betreiber/in des Schneeballsystems dem oder der Anlegenden eine Wiederanlage statt einer Ausschüttung nahe, gilt das laut Bundesfinanzhof weder als Verweigerung noch als Verschleppung.
Abgeltungssteuer auf die Scheingewinne
War der/die Schuldner/in leistungsfähig und leistungsbereit, werden Steuern auf die Scheingewinne fällig. Und zwar die Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Doch immerhin gilt auch bei einem betrügerischen Schneeballsystem der Sparerpauschbetrag: Kapitalerträge bleiben bis zu einer Höhe von 1.000 Euro (Singles) bzw. 2.000 Euro (Ehepaare) steuerfrei.
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