Ermäßigter Steuersatz für Kleinbetragsrente
01.07.2024Wird bei einer Rente der im Sozialgesetzbuch verankerte Betrag von 1 Prozent der sogenannten Bezugsgröße nicht überschritten, handelt es sich um eine Kleinbetragsrente. Die Bezugsgröße wird jährlich festgelegt. Für 2024 liegt sie bei monatlich 3.535 Euro im Westen und 3.465 Euro im Osten (2023: 3.395 Euro und 3.290 Euro).
Das heißt: Beträgt Ihr monatlicher Anspruch, zum Beispiel aus einer Riester-Rente, höchstens 35,35 Euro (West) beziehungsweise 34,65 Euro (Ost), sind Sie Bezieher/in einer Kleinbetragsrente. In diesem Fall wird der Vertrag vom Anbieter meistens abgefunden. Das läuft so ab: Zu Beginn der Auszahlungsphase erhalten Sie eine Einmalzahlung, Sie erhalten also eine Abfindung. Sie bekommen alles, was Ihnen zusteht, auf einen Schlag. Anschließend wird monatlich kein Geld mehr an Sie überwiesen.
ÜBRIGENS:
Eine Kapitalabfindung der Kleinbetragsrente zu Beginn der Auszahlungsphase ist förderunschädlich, wie es im Fachjargon heißt. Damit ist gemeint, dass keine bereits gewährten Zulagen und Steuervorteile zurückgezahlt werden müssen. Das ist im Einkommensteuergesetz klar geregelt. Handelt es sich nicht um eine Kleinbetragsrente, wird die vollständige Auszahlung des Kapitals hingegen als schädliche Verwendung gewertet. Dann müssen die staatlichen Zulagen und Steuervorteile vom Empfänger oder der Empfängerin zurückerstattet werden.
Kleinbetragsrente ist einkommensteuerpflichtig
Und wie wird eine Kapitalabfindung für Kleinbetragsrenten steuerlich behandelt? Darüber wurde in der Vergangenheit häufig gestritten, auch vor Finanzgerichten und vor dem Bundesfinanzhof (BFH). Ende 2019 hat der BFH in einem Verfahren bekräftigt, dass eine solche Auszahlung in vollem Umfang einkommensteuerpflichtig ist (Urteil vom 06.11.2019, X R 39/17). Das sei im Einkommensteuergesetz eindeutig geregelt, heißt es in der Urteilsbegründung.
Das ändert aber nichts an der seit 1. Januar 2018 geltenden Regelung, dass die Auszahlung einer Kleinbetragsrente dank der Fünftelregelung doch steuerbegünstigt ist. Das hat der Gesetzgeber entschieden, um negative finanzielle Folgen abzumildern.
Auch kann der Bezieher oder die Bezieherin einer Kleinbetragsrente seit 2018 wählen, wann er bzw. sie die Auszahlung erhält – entweder zu Beginn der Auszahlungsphase oder zum 1. Januar des darauffolgenden Jahres. Letzteres dürfte Vorteile für sie bringen. Denn im Jahr nach dem Rentenbeginn sind die Einkünfte meistens geringer – und damit auch die Steuerlast, die sich durch die Auszahlung ergibt.
Abfindung: Rentenbezieher kann Auszahlungsart wählen
In zwei weiteren Verfahren, beide ebenfalls im Jahr 2019, hat der BFH außerdem erneut bekräftigt, dass für die Abfindung einer Kleinbetragsrente der ermäßigte Steuersatz für Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten angewendet werden kann (X R 7/18 und X R 24/18). Mit folgender Einschränkung: Es muss eine "Außerordentlichkeit" dieser Einkünfte vorliegen. Denn eine solche Einmalzahlung könne nur steuerlich begünstigt werden, wenn sie für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich "atypisch" sei, so die BFH-Begründung.
Das wirft Fragen auf. Zum Beispiel diese: Ist es tatsächlich atypisch, wenn eine Kleinbetragsrente auf einen Schlag ausbezahlt wird? Zumal der/die Rentenbezieher/in, wie oben bereits erwähnt, seit 2018 wählen kann, ob er bzw. sie diese komplett ausbezahlt bekommen möchte oder nicht. Dazu der BFH: Entscheidend sei, ob die Kapitalisierung laufender Rentenansprüche, also die Auszahlung auf einen Schlag, im Bereich der Altersvorsorgeverträge ganz allgemein als atypisch anzusehen ist, also nicht nur in einem speziellen Fall.
Auszahlung der Kleinbetragsrente – typisch oder atypisch?
Ob die Kapitalisierung vom Anbieter ausgeht oder vom Rentenbezieher gewählt wird, wäre demnach letztendlich gleichgültig. Selbst wenn die Auszahlung auf einen Schlag von Anfang an geplant war, ist das laut BFH kein Grund, die Außerordentlichkeit dieser Einkünfte in Frage zu stellen.
Damit widersprach der BFH dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg. Dieses hatte in dem behandelten Fall nämlich entschieden, die Abfindung einer Kleinbetragsrente stelle in der Praxis den Normalfall dar. Sie sei also typisch und nicht atypisch – und könne somit steuerlich nicht begünstigt werden.
Das Ganze könnte aber noch ein Nachspiel haben. Denn: Der BFH sah sich "mangels statistischen Materials" nicht in der Lage zu beurteilen, ob die Kapitalisierung einer Kleinbetragsrente grundsätzlich als typisch oder atypisch anzusehen ist. Eine Fortsetzung könnte also folgen.