Betreutes Wohnen zählt zu den haushaltsnahen Dienstleistungen
30.09.2024Betreutes Wohnen zählt zu den haushaltsnahen Dienstleistungen. Das hat das Finanzgericht Nürnberg entschieden. Entsprechend muss das Finanzamt die Betreuungspauschale steuerermäßigend berücksichtigen: Steuerzahlende dürfen jährlich 20 Prozent der Kosten, maximal aber 20.000 Euro als haushaltsnahe Dienstleitung von der Steuer absetzen. So sind bis zu 4.000 Euro Steuerbonus möglich. Wie das funktioniert, zeigt Ihnen unser Überblick Haushaltsnahe Dienstleistungen: So sparen Sie Steuern.
Kosten müssen mit einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sein
Die Richterinnen und Richter aus Bayern stellten klar, dass auch bei einer Unterbringung im betreuten Wohnen in einem Heim Kosten als haushaltsnahe Dienstleistungen abgesetzt werden können. Voraussetzung dafür ist, dass die Dienstleistungen mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind.
ÜBRIGENS:
Laut Finanzgericht Nürnberg (Urteil vom 13.02.2014, 6 K 1026/13) gehört das betreute Wohnen für Seniorinnen und Senioren in der Regel nicht zu den Heimen im Sinne des Heimgesetzes. Die Richter/innen begründeten das unter anderem wie folgt: Die Bewohnerinnen und Bewohner sind zwar vertraglich verpflichtet, allgemeine Betreuungsleistungen abzunehmen, sie können aber weitere Zusatzleistungen frei wählen. Entsprechend ist die Selbstbestimmung der Bewohnenden gewährleistet.
Der konkrete Fall
Geklagt hatte ein 1920 geborener Rentner, der in einer Seniorenresidenz im Rahmen des betreuten Wohnens in einer Drei-Zimmer-Wohnung lebte. Neben dem Mietvertrag schloss der Rentner mit dem Betreiber der Residenz einen sogenannten Seniorenbetreuungsvertrag ab. Dieser besagte, dass dem Rentner für eine monatlich zu entrichtende Betreuungspauschale unter anderem folgende Leistungen zustehen: Ein 24 Stunden pro Tag zur Verfügung stehendes Notrufsystem, Hilfe bei Behördenangelegenheiten, Beratung in gesundheitlichen Angelegenheiten und Kleinreparaturen in der Wohnung.
Betreutes Wohnen
Die Eigenständigkeit älterer Menschen fördern – das ist die Idee, die hinter der Wohnform "betreutes Wohnen" steckt. In der Regel mieten oder kaufen Rentnerinnen und Rentner eine barrierefreie Wohnung. Ergänzt wird das barrierefreie Wohnen durch ein Paket an allgemeinen Unterstützungsleistungen. Dazu gehört Hilfe bei der Bewältigung des Alltags zum Beispiel durch Wohnungsreinigung und Wäscheservice, sowie Fahr- und Bringdienste. Diese Leistungen sind in einem Betreuungsvertrag festgelegt und müssen extra bezahlt werden.
Rentner trägt Kosten bei den haushaltsnahen Dienstleistungen ein
Für das Streitjahr trug der Rentner 1.357 Euro für die Betreuungspauschale als haushaltsnahe Dienstleistung in der Steuererklärung ein. Hinzu kamen anteilige Kosten für den Hausmeister in Höhe von 474 Euro.
Finanzamt erkannte die Kosten der Betreuungspauschale nicht an
Das Finanzamt erkannte zwar die Kosten des Hausmeisters an, nicht aber die Aufwendungen für die Betreuungspauschale. Der Rentner legte Einspruch ein, das Finanzamt wies den Einspruch zurück und der Fall landete vor dem Finanzgericht Nürnberg.
Finanzgericht Nürnberg stärkt Rentner den Rücken
Die bayerischen Richterinnen und Richter zeigten ein Herz für den Rentner: Sie stellten klar, dass die Kosten für die Betreuungspauschale Dienstleistungen enthalten, die mit einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind. Daraus folge, dass der Rentner die Aufwendungen von der Steuer absetzen könne. Dem Finanzgericht Nürnberg zufolge gehört zum Beispiel das Vorhalten eines 24-Stunden-Bereitschaftsdienstes zu den haushaltsnahen Dienstleistungen. Würde der Rentner gemeinsam mit Angehörigen zuhause wohnen, würden diese sich auch gerade nachts um den Rentner kümmern. Eine solche Aufgabe falle „im Haushalt eines älteren Menschen immer wieder an“, so die Richter. Das Finanzgericht Nürnberg lieferte noch viele weitere Begründungen zu diesem Thema.
Bundesfinanzhof bestätigt Urteil aus Nürnberg
Die Finanzverwaltung war mit dem Urteil nicht zufrieden und lege Revision ein, so dass der Bundesfinanzhof (BFH) nun das letzte Wort hatte. Die Richterinnen und Richter aus München urteilten ebenfalls, dass die Kosten für ein Notrufsystem, das innerhalb einer Wohnung im Rahmen des betreuten Wohnens angeboten wird, als haushaltsnahe Dienstleistung absetzbar sein kann. Der BFH begründete die Entscheidung unter anderem damit, dass durch die Rufbereitschaft sichergestellt werde, dass ein Mensch, der sich im räumlichen Bereich seines Haushalts aufhalte, im Notfall Hilfe erhalten könne. Eine solche Rufbereitschaft leisteten typischerweise in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebende Familien- oder sonstige Haushaltsangehörige. Damit können die Kosten auch als haushaltsnahe Dienstleistung absetzbar sein (Urteil vom 03.09.2015, VI R 18/14).
Das Bundesministerium der Finanzen hat die Rechtsprechung dann auch in einem BMF-Schreiben vom 9. November 2016 bestätigt: Ist das Hausnotrufsystem eine Nebenleistung des betreuten Wohnens, können die Kosten als haushaltsnahe Dienstleistungen in der Steuererklärung angegeben werden.
Hausnotruf nur bei betreutem Wohnen absetzbar
Etwas anderes gilt, wenn man nicht in einer betreuten Wohnanlagen, sondern in den eigenen vier Wänden lebt. Dann dürfen die Kosten für ein Hausnotrufsystem nicht als haushaltsnahe Dienstleistung absetzen. Diese Praxis wurde vom Bundesfinanzhof 2023 bestätigt (VI R 7/21 und VI R 8/21). Die Begründung: Die Dienstleistung erfolge nicht im Haushalt, sondern außerhalb.
Geklagt hatte eine 1933 geborene Frau, die allein in einem eigenen Haushalt lebt und ein Hausnotrufsystem verwendet. Das entsprechende Gerät hat sie von einem Anbieter erhalten und kann darüber im Notfall per Knopfdruck einen 24-Stunden-Service erreichen. Der Service findet also in der Notfallzentrale des Anbieters statt und nicht bei der Dame zuhause. Fazit: Das zuständige Finanzamt erkannte die Kosten in der Steuererklärung nicht an.
Die Frau klagte dagegen und das Sächsische Finanzgericht entschied zu ihren Gunsten (Urteil vom 14.10.2020, 2 K 323/20). Dieses Urteil hat der BFH aber aufgehoben und stellt fest: "Für ein Hausnotrufsystem, das im Notfall lediglich den Kontakt zu einer 24-Stunden-Servicezentrale herstellt, die soweit erforderlich Dritte verständigt, kann die Steuerermäßigung nicht in Anspruch genommen werden."
ÜBRIGENS:
Falls Sie einen Behinderten-Pauschbetrag erhalten, können Sie die Kosten für den Hausnotruf in den eigenen vier Wänden auch nicht als haushaltsnahe Dienstleistung berücksichtigen, sondern wahlweise als außergewöhnliche Belastung – sofern die Kosten eine sogenannte zumutbare Eigenbelastung überschreiten.