Grundfreibetrag versus Bürgergeld: Verstoß gegen Verfassungsrecht?
28.10.2024Grundfreibetrag zu niedrig im Vergleich zu Bürger- und Wohngeld?
Der Grundfreibetrag soll sicherstellen, dass vom erarbeiteten oder erwirtschafteten Einkommen ein Mindestbetrag übrigbleibt, beziehungsweise nicht durch Steuern geschmälert wird, der für lebensnotwendige Dinge erforderlich ist. Also das einkommensteuerliche Existenzminimum. Es gibt aber auch ein sozialhilferechtliches Existenzminium, das sich zum Beispiel durch Bürgergeld und Wohngeld zusammensetzt. Im Vergleich dazu fällt der Grundfreibetrag nach Auffassung mancher Fachleute zu niedrig aus. Zumindest für die Jahre 2023 und 2024.
Kritiker stützen sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998. Darin heißt es sinngemäß, dass das einkommensteuerliche Existenzminimum zwar höher, aber nicht niedriger als das sozialhilferechtliche Existenzminium sein darf. Soll heißen: Der jeweils geltende Grundfreibetrag darf eigentlich nicht geringer ausfallen als der Betrag, der Empfängern von staatlichen Hilfen wie Bürgergeld und Wohngeld zur Verfügung steht. Doch genau das kann seit Einführung des Bürgergelds unter bestimmten Voraussetzungen passieren.
VLH: Einheitlich mit Begriffen wie Existenzminimum umgehen
„Uns geht es nicht darum, eine Kürzung von Sozialleistungen zu fordern. Vielmehr halten wir es für angebracht, dass der Gesetzgeber einheitlich und konsequent mit Begriffen wie Existenzminimum umgeht, in dem Fall bezogen auf das Sozialrecht und das Steuerrecht", sagt VLH-Vorstandsvorsitzender Jörg Strötzel mit Blick auf die Diskussion.
Immerhin: Für das Jahr 2024 soll der Grundfreibetrag rückwirkend um 180 Euro auf 11.784 Euro beziehungsweise 23.568 Euro bei Zusammenveranlagung angehoben werden. Diesem Bundestagsbeschluss vom 18. Oktober muss allerdings noch der Bundesrat zustimmen.
Finanzgericht lehnt Klage ab – wie entscheidet der Bundesfinanzhof?
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht musste sich in diesem Jahr mit einer Klage zu diesem Thema beschäftigen. Dabei ging es um den Grundfreibetrag 2023, der bei 10.908 Euro lag. Laut Klage sei dies deutlich weniger, als jemand mit Leistungen wie Bürger- und Wohngeld erhalten könne – das widerspreche dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Dieser Sichtweise schloss sich das Finanzgericht zwar nicht an und vertrat die Auffassung, die Höhe des Grundfreibetrags sei nicht zu beanstanden. Allerdings ließ es Revision zu, und die ist nun beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig (Aktenzeichen III R 26/24). Wann das höchste Gericht in Sachen Steuern dazu eine Entscheidung fällt, ist allerdings noch nicht abzusehen.
VLH-Tipp: Wer gegen seinen Einkommensteuerbescheid von 2023 wegen der Höhe des Grundfreibetrags Einspruch einlegen möchte, kann beantragen, das Einspruchsverfahren bis zur entsprechenden Entscheidung des BFH ruhen zu lassen.
Was ist eigentlich der Grundfreibetrag?
Beim Grundfreibetrag handelt es ich nicht um eine Summe, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern ausbezahlt wird. Vielmehr ist es ein Betrag, der vom Parlament auf Grundlage des Existenzminimumberichts definiert wird. Soll heißen: Ein Betrag, der allen Einkommensteuerpflichtigen zur Verfügung stehen muss, um sich lebensnotwendige Dinge auch tatsächlich leisten zu können. In diesem Jahr liegt der Grundfreibetrag nach aktuellem Stand bei 11.604 Euro beziehungsweise bei 23.208 Euro für Paare mit Zusammenveranlagung.
Wer mit seinem zu versteuernden Einkommen unter dem Grundfreibetrag liegt, muss keine Einkommensteuer zahlen. Dadurch sollen allen arbeitenden Bürgerinnen und Bürgern etwa im Jahr 2024 nach aktuellem Stand mindestens 967 Euro netto im Monat zur Verfügung stehen. Und verdient man doch mehr, wird auf den Lohn oder das Gehalt erst ab der Summe oberhalb des Grundfreibetrags Einkommensteuer fällig. In Zahlen ausgedrückt: In diesem Jahr werden Einkommen erst ab dem 11.605ten Euro besteuert und bei Ehepaaren erst ab dem 23.209ten Euro. Eine nachträgliche Erhöhung ist aber wie gesagt in Sicht.